Die Kasse der Stadt Bergisch Gladbach ist nicht nur leer, das strenge Regiment des Nothaushaltes nimmt den Verantwortlichen im Rathaus fast jeden Spielraum, eigene politische Prioritäten zu verfolgen. Wer dennoch etwas bewegen will, muss sich im Haushaltsrecht gut auskennen und in der Kunst der Haushaltsführung bis an die Grenzen des Legalen gehen.

Große Koalition zugunsten der Schulsanierung

Im Rathaus formal zuständig ist in Bergisch Gladbach Kämmerer Jürgen Mumdey (SPD, Foto rechts). Aber auch Bürgermeister Lutz Urbach (CDU, Foto links), der in seinem früheren Leben immerhin selbst Kämmerer war, ist ein Kenner der komplizierten Materie. Beide zusammen hatten ja bereits bei der (vorläufigen) Rettung der wichtigsten Elemente der Regionale 2010 bewiesen, was sie zum Wohle der Stadt bewerkstelligen können. Und beider Herz hängt an der so dringend notwendigen Schulsanierung, für die sie Mittel locker machen wollen. Doch dabei könnten sie über das Ziel hinaus geschlossen sein.

+ Anzeige +

Auslöser der aktuellen Kontroverse, die bei der heutigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses eine Rolle spielen könnte, ist Landrat Rolf Menzel (CDU). Er spielt im Rahmen des Nothaushaltes den Finanzaufseher – und hat vor ein paar Tagen einen Brandbrief ins Rathaus geschickt, in dem er unmissverständlich um Aufklärung bittet. Dabei ist auch Menzel nicht frei in seinem Ermessensspielraum, denn er wird wiederum vom Regierungspräsidenten beaufsichtigt.

Komplexe Regeln

Stein des Anstoßes ist die Idee der Stadtverwaltung, im Haushalt die Tilgung der Schulden mit einem Satz von zehn Prozent exorbitant hoch anzusetzen. In der Realität sind es allenfalls zwei Prozent.

Für die Ausgabenpolitik hat das den erwünschten Nebeneffekt, dass der ansonsten minimale Spielraum für Investitionen ein Stück größer wird. Nach den Regeln des Neuen kommunalen Finanzmanagements, die der Innenminister aufgestellt hat, hängt die zulässige Neuverschuldung der Stadt von der Höhe der Tilgungen für Altkredite ab. Je mehr getilgt wird, um so mehr Schulden dürfen neu aufgenommen werden. Logisch? Das spielt hier keine Rolle.

Nach Informationen des KSTA moniert der Landrat, dass durch die sehr hohe angenommene Tilgungsrate das Investitionsvolumen von 5,5 Millionen Euro aus den Vorjahren auf 8,9 Millionen Euro aufgebläht worden sei.

Gleichzeitig wurde die Schuldenaufnahme des Vorjahres, die ebenfalls als Maßstab dient, künstlich nach oben gerechnet. Im Ergebnis konnte die Verwaltung über im Haushalt 2010 Mittel disponieren, die sie für die Sanierung der Schulen einsetzen kann – im Volumen von insgesamt immerhin sechs Millionen Euro, wie die BLZ erfuhr.

Drückten alle Fraktionen beide Augen zu?

Diese Praxis wird offenbar auch von anderen Kommunen angewandt. Zudem sollen die Spitzen der Fraktionen im Stadtrat von Bergisch Gladbach informiert und einverstanden gewesen sein. Bei der Verabschiedung des Etats im März 2010 war die ungewöhnliche hohe Tilgungsrate jedenfalls kein Thema.

Kommunalaufseher Rolf Menzel geht diese kreative Buchführung jedoch ganz offenbar zu weit. Der Wortlaut des Briefs wurde nicht bekannt, aber sollte sich der Verdacht des Landrates bestätigen und die Etatplanung nicht haltbar sein, müsste der Kämmerer im laufenden Haushalt womöglich weitere sechs Millionen Euro streichen – eine Horrorvorstellung. Denn der Haushalt 2010 enthält nur Investitionen von insgesamt 13,5 Millionen Euro, je zur Hälfte im Kernhaushalt und im Sondervermögen Immobilien, das vor allem der Schulsanierung dient. Mumdey schwante bereits Böses:

„Wenn wir das zurückholen müssten, wäre das fatal für die Schulen.“

Nach Aussage von CDU-Fraktionsvorsitzender Peter Mömkes könnte das Problem nicht ganz so groß sein. Nach seinen Angaben verlangt der Kreis eine neue Prioritätenliste der Investitionen. Und da sich die Stadt ohnehin mehr vorgenommen habe als in diesem Jahr umzusetzen sei bestehe noch Spielraum für eine Anpassung des Haushaltes. Einen entsprechenden Fahrplan versuche die Verwaltung für die Sondersitzung des Haupt- und Finanzausschusses heute zu erarbeiten.

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie? Ist es angemessen, alles zu tun, um Geld für die Schulsanierung locker zu machen? Hat die Stadt die Regeln zu großzügig ausgelegt? Machen Sie sich selbst ein Bild und teilen Sie uns Ihre Erkenntnisse mit, im Kommentarfeld, in einem eigenen Beitrag oder per Mail (info@in-gl.de).

Schauen Sie sich die Dokumente unten an oder gehen sie zur Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses, 1. Juni, 17 Uhr im Rathaus Bensberg, Tagesordnung.

Quellen und weitere Informationen:

Originalquellen und Dokumente

Journalist, Volkswirt und Gründer des Bürgerportals. Mail: gwatzlawek@in-gl.de.

Reden Sie mit, geben Sie einen Kommentar ab

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.