Die Krise der Eurozone ist eine der größten Bewährungsproben für die Europäische Union, und bisher hat sich die EU nicht gut geschlagen. Zu lange haben die Entscheidungsträger nur auf Entwicklungen reagiert, anstatt aktiv die grundlegenden Ursachen der Krise in Angriff zu nehmen.

Diese Form der Ad-hoc-Politik hat die europäische Solidarität unterhöhlt. Sie hat zu Verwirrung und Misstrauen unter den europäischen Bürger geführt. Wir müssen diese Herangehensweise ändern. Die politische Führung muss wiederhergestellt werden, um weiteren Schaden zu vermeiden.

Wir rufen alle europäischen Entscheidungsträger dazu auf, die politische Agenda wieder zu übernehmen und einen Zukunftsplan für eine erfolgreiche und vereinte Eurozone zu entwickeln. Wir brauchen einen glaubwürdigen neuen Vorschlag für Wirtschaftsreformen und Wachstum, dem alle Europäer – im Norden wie im Süden – zustimmen können. Was wir nicht brauchen, sind immer neue Runden von Sparmaßnahmen, die weder Vertrauen noch wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit erzeugen.

Wir benötigen neue und effektive wirtschaftliche Regierungsmechanismen, um die institutionellen Mängel der Eurozone zu korrigieren und die engere Koordinierung der Fiskalpolitik voranzutreiben. Die Währungsunion funktioniert nicht ohne eine engere politische Union. Dies muss anerkannt und umgesetzt werden, anstatt den Zusammenbruch der Eurozone zu riskieren. Ein solcher Zusammenbruch würde zu unvorhersehbaren politischen und wirtschaftlichen Kosten führen.

Wir sind um den aktuellen Zustand der EU besorgt – besonders wegen des langfristigen Schadens, der entstehen könnte. Nur eine selbstbewusste neue Politik kann das Vertrauen in die finanzielle Stabilität der Währungsunion und in die Zukunft des europäischen Integrationsprozesses zurückgewinnen. Es ist an der Zeit, die Richtung zu wechseln und die Herausforderung anzugehen.

Die Unterzeichner:

Giuliano Amato (ehemaliger italienischer Premierminister), Zygmunt Bauman (Leeds University), Ulrich Beck (Ludwig-Maximilians-Universität München), Peter Bofinger (Julius-Maximilians-Universität Würzburg), Stefan Collignon (Scuola Superiore Sant’Anna, Pisa), Alfred Gusenbauer (ehemaliger Bundeskanzler von Österreich), Jürgen Habermas (deutscher Philosoph), David Held (London School of Economics), Gustav Horn (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Düsseldorf), Bernard-Henri Lévy (französischer Philosoph), Roger Liddle (House of Lords und Vorsitz des Policy Network), David Marquand (Oxford University), Henning Meyer (London School of Economics), Kalypso Nicolaidis (Oxford University), Jan Pronk (ISS, Den Haag, und früherer niederländischer Entwicklungsminister), Poul Nyrup Rasmussen (ehemaliger Dänischer Premierminister und Präsident der Partei der Europäischen Sozialisten PES), Maria Joao Rodrigues (Université Libre de Bruxelles und Lisbon University Institute), Martin Schulz (Vorsitzender der sozialistischen Fraktion im Europaparlament), Gesine Schwan (Humboldt-Viadrina School of Governance, Berlin)