Wo taucht ein New Yorker Mafiosi im Zeugenschutzprogramm unter? Auf den Bahamas? "Da bekommt man nur Hautkrebs", glaubt Frank Tagliano (Steven Van Zandt). Nein, Frank "The Fixer" hat sich Lillehammer ausgesucht. Oder, wie er es ausspricht: Lily-Hämmer. Die norwegische Kleinstadt hat er als Austragungsort der Olympischen Spiele 1994 noch positiv in Erinnerung. Außerdem gibt es da "klare Luft, frischen Schnee und schöne Frauen".

 

Und so reist Frank mit neuem Namen Giovanni Hendriksen, der Asche seines West-Highland-Terriers Lily, ziemlich viel Cash und einem norwegischen Audio-Sprachkurs in seine neue, kalte Heimat. Die Ernüchterung kommt schnell: sein Haus ist ein muffiger Bungalow, sein Auto ein Elektro-Ei und die Lillehammer-Beamten rücken für einen Umschlag voller Banknoten auch nicht die Bar-Lizenz heraus, sondern stecken Frank in den Integrationskurs "Neue Chancen".

In Norwegen war die Netflix-Coproduktion Lilyhammer die erfolgreichste Serie aller Zeiten, annähernd eine Millionen Zuschauer, also fast jeder fünfte Norweger, schalteten zum Serienstart 2012 ein. Nun läuft die erste Staffel auch in Deutschland, jeden Donnerstag auf arte.

Die Serie spielt mit allem, was sich zwischen Klischees und Wahrheiten an kulturellen Reibungspunkten anbietet. Und natürlich kollidiert die norwegische Regel- und Sozialstaatstreue ständig mit Franks amerikanischer "Fressen- und Gefressenwerden"-Mentalität: "In diesem Land ist es ja fast mehr verboten auf Wölfe zu schießen als auf Menschen." So nutzt Frank gleich in der ersten Folge die illegale Jagd auf einen Wolf, der ein Schaf gerissen hat, als Chance, um seinen neuen Mitbürgern das Gesetz der Prärie beizubringen.

Großartig sind die vielen kauzigen Kleinstadtcharaktere, die Lilyhammer bevölkern und die an Figuren aus Aki-Kaurismäki-Filmen erinnern. Da ist die lokale und akkurate Polizeichefin Laila (Anne Kigsvoll), die bald schon in Franks Vergangenheit herumschnüffelt, der tölpelige Torgeir (Trond Fausa Aurvag), den er zu seinem Gehilfen befördert oder der schulmeisterliche Beamte Jan (Fridtjov Såheim), der natürlich auch Abgründe hat. In der US-Version sprechen sie sogar streckenweise Norwegisch – ein schöner Lokalkolorit, der in der deutschen Fassung leider fehlt.

Bald lernt Frank, wie die Dinge im "sauberen" Norwegen laufen

Vor allem aber lebt Lilyhammer von seinem knorzigen Hauptdarsteller Steven van Zandt. Der amerikanische Rockmusiker war lange vor allem als Gitarrist von Bruce Springsteens E-Street-Band bekannt. Seine Zweitkarriere als Schauspieler begann er erst mit 49. In einer Mafia-Rolle. In den Sopranos spielte er den Striptease-Club-Besitzer Silvio Dante.

Und wie viel Sopranos steckt in Lilyhammer? Lange braucht der New Yorker Gangster jedenfalls nicht, um zu lernen, wie auch im "sauberen" Norwegen Korruption und Günstlingswirtschaft funktionieren. Mit Erpressungen, Drohungen und Gefälligkeiten kommt Frank zu einer Kneipe, einer schicken Wohnung und einer jüngeren, blonden, norwegischen Freundin. 

Spätestens wenn Frank in seiner neuen Bar Flamingo auf die Bühne tritt und Frank Sinatras Chicago-Hymne My kind of town singt, ist klar, dass er längst die Patenschaft über die Kleinstadt übernommen hat.