von Dominique Zeier, Céline Külling

Jugendliche erkennen Native Advertising nicht als Werbung

Die Täuschung funktioniert: Jugendliche können kaum zwischen redaktionellen Inhalten und Journalismus-ähnlichen Werbeformaten wie Native Advertising unterscheiden. Das zeigt eine aktuelle Befragung von Gymnasiastinnen und Sekundarschüler im Kanton Zürich. In der Pflicht stehen Verlage, aber auch Schulen und Eltern.

Für Jugendliche ist das Smartphone ein allgegenwärtiger Begleiter. Praktisch alle im Alter zwischen 12 und 19 Jahren besitzen ein eigenes Smartphone, das sie grösstenteils unbeaufsichtigt von ihren Eltern nutzen können. Hinter dem Bildschirm steckt eine Flut von Information, die nicht immer einfach einzuordnen ist. Ein Artikel auf der Webseite einer Zeitung, der ein Produkt anpreist, wirkt glaubwürdig und sieht nach Journalismus aus. Denn einer Medienmarke vertrauen sie mehr als einer Werbung im Fernsehen.

Doch das Entscheidende übersehen sie oft: über manchen Artikeln steht klein der Vermerk «Sponsored Content». Das erkennen die Jugendlichen nur selten. Das zeigt auch eine Studie, die kürzlich im Rahmen eines Forschungsseminars des Instituts für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Zürich durchgeführt wurde.

Darin haben wir untersucht, wie zuverlässig Schüler und Schülerinnen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren in der Stadt Zürich redaktionelle Inhalte von Beiträgen mit werbendem Charakter («Native Advertising») unterscheiden können. Das Ergebnis ist ernüchternd: Von 79 befragten Schülerinnen und Schülern aus Sekundarschulen und Gymnasien konnten nur 40 Prozent den Unterschied zwischen journalistischen und gesponserten Beiträgen erkennen.

Den Jugendlichen wurden zwei verschiedene Ausschnitte von Artikeln vorgelegt. Es handelte sich dabei einerseits um journalistische und kommerzielle Beiträge der Webseite «Tilllate», die zur Gratiszeitung «20 Minuten» gehört, und andererseits um Ausschnitte der Webseite 20min.ch selbst. Bei beiden handelt es sich um Portale, die insbesondere junge Menschen ansprechen. Hierbei waren einige dieser Ausschnitte journalistische Beiträge, während andere gesponserte Inhalte enthielten.

Auf die Frage, weshalb es sich bei einem der Artikel um einen Werbebeitrag handelt und beim anderen nicht, erhielten wir mehrfach die Antwort, dass es sich nicht um Werbung handeln könne, da der Artikel von «20 Minuten» publiziert wurde. Die Jugendlichen nahmen also an, dass ein Medium wie «20 Minuten» grundsätzlich keine Werbung beinhaltet.

Andere Schülerinnen und Schüler, welche die Werbung nicht erkannten, begründeten dies so: «Es handelt sich nicht um Werbung, weil die Aussagen im Text realistisch sind und keine Lügen». Oder so: «Es kann keine Werbung sein, da es sich um ein Printmedium handelt». Diese Antworten zeugen von einer grundliegenden Unkenntnis des Mediensystems und der Rolle, die Werbung darin spielt. Nur bei klassischen Werbebannern zeigte sich diese Problematik nicht. Diese haben beinahe alle Jugendlichen richtig identifiziert.

«Die bewusste Kaschierung des Werbecharakters in Sprachstil und Layout wird immer professioneller betrieben.» Daniel Süss, Medienpsychologe

Für den Medienpsychologen Daniel Süss, Leiter des Psychologischen Instituts der ZHAW, ist es nicht überraschend, dass eine solch hohe Zahl der Schüler die gesponserten Artikel nicht erkannt haben. «Die bewusste Kaschierung des Werbecharakters in Sprachstil und Layout wird immer professioneller betrieben. Es gibt sicherlich auch viele Erwachsene, die nicht bemerken, wenn sie Native Advertising oder Publireportagen als unabhängige journalistische Beiträge missverstehen», sagt er.

Jugendliche verfügen noch nicht über dieselben kognitiven Kompetenzen zu analytischem Hinterfragen wie Erwachsene. Daher sieht Süss es kritisch, wenn diese sich über Plattformen, die sich spezifisch an sie wenden, mit schwer durchschaubaren Werbeformen konfrontiert sehen. Eine entsprechende Wissensgrundlage der Jugendlichen auch schulisch zu fördern, ist deshalb zentral. Dies veranschaulicht auch der Bildungsunterschied, den die Studie aufzeigt. Während rund 55 Prozent der Gymnasiasten die Werbebeiträge korrekt identifizieren konnten, gelang dies nur 23 Prozent der Sekundarschüler.

«Gymnasiasten werden im allgemein eher dafür sensibilisiert, auf Quellen zu achten und diese kritisch zu hinterfragen», sagt Süss. Dennoch sollte gemäss dem Lehrplan 21, der in den nächsten Jahren eingeführt wird, die Kompetenz, klassische Werbung, wie auch weniger eindeutige Mischformen erkennen zu können, viel früher als mit 13 Jahren erworben werden. So ist vorgesehen, dass Schülerinnen und Schüler bereits in der dritten bis sechsten Klasse dies Kompetenzen aufweisen. Die Tatsache, dass in der vorliegenden Studie Schüler der Oberstufe argumentierten, dass in Zeitungen allgemein keine Werbung vorhanden sei, ist für Süss ein klares Anzeichen dafür, dass die Medienbildung an Schulen, aber auch die Medienerziehung in Familien, einen hohen Nachholbedarf haben.

«Wir haben in den letzten Monaten die Deklaration verstärkt.» Mediensprecherin Tamedia

Dies ist umso wichtiger, da die Medien kein Interesse daran haben, Transparenz zu schaffen. Man lege seit jeher Wert auf eine klare Trennung zwischen Redaktion und Verlag, sagt eine Sprecherin des Medienunternehmens Tamedia, von dem die in der Studie verwendeten Beispiele stammen. Nichtsdestotrotz habe es in der Vergangenheit teilweise unterschiedliche Inhaltswerbeformen gegeben, die für die Nutzer nicht genügend transparent deklariert wurden. «Wir haben deshalb in den letzten Monaten die Deklaration verstärkt. Alle Native Advertising und Sponsored Content Beiträge werden seit diesem Jahr als ‹Sponsored» bzw. ‹Paid Post» deutlich gekennzeichnet», sagt eine Mediensprecherin. Dass die befragten Jugendlichen trotz dieser Deklarierung den Werbeinhalt nicht erkennen konnten, gibt offenbar nicht weiter Anlass zur Sorge.

Dass Medienkompetenz mit dem Lehrplan 21 zu einem festen Bestandteil des Unterrichts wird, ist also zu begrüssen. Es muss allerdings stets beachtet werden, dass der Fokus dabei auf die richtigen Punkte gelegt wird. Solange «Native Advertising» eine Werbestrategie ist, die von Medienunternehmen bedenkenlos eingesetzt wird, müssen insbesondere Jugendliche gut geschult werden, um mit solchen Inhalten umgehen zu können. Denn das Problem zeigt sich nicht nur auf News-Portalen, sondern viel stärker noch auf Social-Media-Plattformen, wo sich die Jungen hauptsächlich aufhalten. Wenn es Jugendlichen nicht einmal gelingt, eine Werbung auf einem Newsportal zu erkennen, wie steht es dann erst um die gesponserten Empfehlungen ihrer favorisierten Influencers auf YouTube oder Instagram, die ähnlich diskret deklariert sind wie in redaktionellen Medien?

Die an Schulen vermittelte Medienkompetenz sollte also nicht nur den Umgang mit Geräten in den Fokus stellen, sondern auch die Fähigkeit, sich in einer informationsüberfluteten Welt zurechtzufinden. Dazu gehört auch das Bewusstsein, dass hinter manchen Informationen Partikularinteressen und Manipulationsversuche stehen. Aber auch die Medienunternehmen dürfen nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Das Bewusstsein, dass Jugendliche leichter hinters Licht zu führen sind, darf nicht ausgenützt werden – im Gegenteil. Verlage täten gut daran, Werbeformate offensiver und unmissverständlich – und vor allem: einheitlich, zu deklarieren. Das sollte in ihrem ureigenen Interesse liegen, damit sie nicht weiter an Glaubwürdigkeit einbüssen.

Leserbeiträge

Lahor Jakrlin 05. Dezember 2017, 17:39

Ersetzen Sie „Native Advertising“ mit „Publireportage“ und Sie wissen alles.

In beiden Fällen sind es die nun wirklich ganz ganz Naiven, die den Unterschied zum offiziellen redaktionellen Teil nicht erkennen (und naivität gehört bestraft).

Wer viel in Medien surft, sieht spätestens nach dem zweiten Blick, ob hier die Redaktion oder ein Suppen- oder Schoggistängeli- oder Hotel-PR-Texter dahinter steckt. Zudem wird auch Native Advertising in 99.9 % der Fälle als Promotion gekennzeichnet (wenn nicht, ist die Redaktion reingefallen, nicht der Consumer).

Deshalb, zum Artikel: Where’s the Beef?

Thomas Paszti 06. Dezember 2017, 09:44

…sagt einer, der mit Tarnkappenwerbung sein Geld verdient? Von sich auf andere zu schliessen, ist keine sonderlich gute Idee. Dass Medienkompetenz ausserhalb unserer Branche nicht in selbem Masse verbreitet ist, ist naheliegend, bei Jugendlichen offensichtlich die Realität. Und an dieser sollten wir uns orientieren, um in dieser Sache weiter zu kommen. Eine einheitliche, unmissverständliche Deklaration wäre ein erster Schritt, die dringend notwendige Trennung zwischen Journalismus und kommerzieller Kommunikation sicherzustellen. Die NZZ macht das auf ihrer Website vorbildlich.

Markus 06. Dezember 2017, 09:13

Allein, dass sich der Bergriff des „native advertising“ etabliert hat, ist eigentlich eine Schande! „nativ“, vom lateinischen „nativus“ abgeleitet bedeutet so viel wie: angeboren, natürlich. Aber das ist es nicht! Das beschriebene Phänomen, dass ein Produkt gegen Entgelt in einem redaktionellen Beitrag angepriesen wird, heißt Schleichwerbung! Und wenn es keinen knackigen Anglizismus dafür gibt, dann muss man eben doch den altbackenen deutschen Begriff nutzen. Gerade die, die „was mit Medien“ machen, sollten sich da in vorderster Front stark für eine klare und ehrliche Sprache machen!

„Native Advertising“ wäre der klar abgegrenzte Werbeblock im Fernsehen oder Radio. Oder die klar als Werbung erkennbare Annonce in einer Zeitung oder Zeitschrift.

So, jetzt habe ich mich ganz weit aus dem Fenster gelehnt. Zu weit vielleicht? Ich bin gern lernfähig und auch belehrungswillig 🙂

LG Markus

Thomas Paszti 06. Dezember 2017, 11:23

Hier noch ein passender Beitrag aus unserem Archiv: https://medienwoche.ch/2011/05/25/publireportage-wirklich-weg-damit/

westernworld 06. Dezember 2017, 13:04

das geht mir ähnlich wie den jugendlichen und liegt vielleicht daran das medien heute noch weniger als früher die hand beißen die sie füttert.
dies gilt aebenso für die öffentlich rechtlichen bei denen sicher auch dem letzten volontär klar ist wo die demarkationslinien des neoliberalen blockflötenpluralismus verlaufen und ab wo ein in frage stellen der herrschenden meinung ins kartiere-aus führt.
der einzige unterschied zum native advertising ist das direktere quit pro quo.

Christian Lüscher 07. Dezember 2017, 23:33

Meine 5 Cent: Wie seriös ist dieser Artikel und die Recherche, wenn die Autoren offensichtlich nicht wissen, was Branded Content und was Native Advertising ist? Wo bleibt die Sorgfalt? Im Impressum von 20 Minuten steht der Unterschied. Die untersuchten Beispiele sind überhaupt keine Native Ads. Es handelt sich um ein Paid Post und ein Wettbewerb. Beide Werbeformen entsprechen dem Code of Conduct. Der Paid Post sicher deutlicher als der Wettbewerb. Wer allerdings ein Wettbewerb als journalistische Leistung betrachtet, dem wird ein giftgrüner Rahmen als Label auch nicht viel nützen.

Céline Külling 08. Dezember 2017, 15:42

Lieber Herr Lüscher
 
Besten Dank für Ihr Interesse an unserem Artikel und Ihren Input. Wir orientieren uns mit dem Begriff des „Native Advertising“ am wissenschaftlichen Verständnis der „Werbung im natürlichen Umfeld“. Darunter fassen wir jeglichen Inhalt, der im „bekannten redaktionellen Umfeld“ des Mediums verortet ist. Dazu gehört natürlich auch gesponserter Inhalt und branded Content. Der zentrale Aspekt dabei ist, dass der Inhalt auf den ersten Blick nicht als Werbung erkannt, sondern als natürlicher Inhalt wahrgenommen wird. Uns ist auch bewusst, dass in keinem dieser Fälle der Code of Conduct verletzt wurde und die Beiträge klar deklariert sind. Uns geht es um den Anstoss zur Diskussion, nicht um eine Anklage. Dass Jugendliche trotz Einhalten der Deklaration Bezeichnungen wie „Paid Post“ oder Autorenvermerke wie „Commercial Publishing“ nicht erkennen oder übersehen und den Inhalten der für sie klar redaktionellen Beiträge vertrauen, sollte unserer Ansicht nach zu einem Überdenken von festgesetzten Richtlinien anregen. Dies insbesondere bei Beiträgen, die sich spezifisch an eine junge Zielgruppe richten, die scheinbar noch nicht über die kognitiven Fähigkeiten verfügen, die intendierten Absichten hinter einem Beitrag einzuschätzen.
 
Beste Grüsse
 

Christian Lüscher 08. Dezember 2017, 21:57

Frau Külling, 
Dieser Artikel ist aus handwerklicher Sicht nicht genügend. Sie arbeiten sogar höchst unsorgfältig. Sie nutzen den Begriff Native Advertising für Inhalte, die sie nicht untersucht haben. Nutzen Reizwörter wie Täuschung und werfen dem Unternehmen Tamedia vor, keine Verantwortung zu tragen. Im Subtext lancieren Sie keine Diskussion, sondern verurteilen diese Werbeform. 
Hätten Sie von Branded Content geschrieben, hätte ich den Artikel schweigend zur Kenntnis genommen. Hier aber sehe ich die Sorgfaltspflicht massiv verletzt. Denn Native Advertising ist keine Produktwerbung. Es steckt keine Verkauftsabsicht dahinter. Ich kann Ihnen versichern, dass die Kunden bei der Umsetzung keinen Einfluss haben. Sie können die Artikel nur annehmen oder ablehnen. Wir von Tamedia stellen Native Advertising unter besonders strengen Vorschriften her. a) wird NA streng intern hergestellt b) hat NA keinen werbenden Charakter und c) hätte die Story auch von der Redaktion stammen können. Die Beiträge sind zudem klar mit einer Deklarationsbox gelabelt und die Zusammenarbeit mit einem Kunden wird absolut transparent gemacht. Wir haben auch Leserbefragungen durchgeführt. In den meisten Fällen erkennen die Leser, dass es sich um „Werbung“ handelt.
Bei ihrer Untersuchung habe ich den Eindruck, dass Sie die Befragung nicht mit der nötigen Distanz zum Forschungsobjekt durchführten. 
Beste Grüsse, 
Christian Lüscher 
 
 

Céline Külling 09. Dezember 2017, 15:46

Lieber Herr Lüscher
Da Sie den Artikel schweigend zur Kenntnis genommen hätten, wäre der Begriff des Native Advertising nicht gefallen, handelt es sich demnach um ein terminologisches Problem. Ob die von uns befragten SchülerInnen einen Branded Content, einen Paid Post oder native Werbung für einen redaktionellen Beitrag hielten, darüber kann man endlos diskutieren. Ebenso müsste man sich nach der semantischen Logik des Begriffes native „advertising“ fragen, wenn diese ja scheinbar keinen werbenden Charakter hat. Umso interessanter, dass Ihre befragten Leser genau diesen Inhalt, der nun doch gar keinen webenden Charakter hat, als Werbung erkennen. Sie sehen, sich in der Semantik zu verlieren, scheint kaum zielführend. Vielleicht teilen Sie ja aber zumindest unsere Ansicht, dass die Tatsache, dass mehrere SchülerInnen aus unterschiedlichen Schulen der Meinung sind, dass Printmedien allgemein keine Werbung beinhalten, doch problematisch sein könnte. Die Jugend also soweit zu schulen, dass sie keinen giftgrünen Rahmen als Label benötigen, wäre doch durchaus anstrebenswert.
Ich wünsche Ihnen ein geruhsames Wochenende,
Beste Grüsse
Céline Külling

Christian Lüscher 11. Dezember 2017, 13:00

Frau Külling, 
Andere Schriften, andere Bezeichnungen oder ein giftgrüner Rahmen nützen am Ende des Tages gar nichts. Und mit Richtlinien aus den 80er bewirkt man m.E. erst recht nichts im heutigen Web. Jugendliche lesen, was sie interessiert. Die Netflix-Generation will Unterhaltung, den Freizeitpark. Alles was nach Werbung oder Sales aussieht, klickt sie weg. Das sieht man tagtäglich auf dem Webseismograph. 
Beste Grüsse
C.