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Lawinenunglück in Italien

"Es wird immer schwieriger, an Rettung zu glauben“

Abruzzen/Münster

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, und mit jeder Stunde sinken die Chancen, unter den Schnee- und Geröllmassen, die ein Vier-Sterne-Hotel in den italienischen Abruzzen begraben haben, noch Überlebende zu finden. In Münster verfolgt Massimiliano Passerini die Rettungsaktion tief besorgt. Er bangt um das Leben eines guten Freundes, der in dem Hotel gearbeitet hat. „Nach vier Tagen wird es immer schwieriger an Rettung zu glauben“, sagt der 37-Jährige Uni-Dozent für Italienisch und Geschichte am Sonntagnachmittag.

Dirk Anger

Links: Der Universitäts-Dozent Massimiliano Passerini (l.) bangt um das Leben seines Freundes. Rechts: Das verschüttete Hotel in Abruzzen.
Links: Der Universitäts-Dozent Massimiliano Passerini (l.) bangt um das Leben seines Freundes. Rechts: Das verschüttete Hotel in Abruzzen. Foto: (l.) privat, (r.) dpa

Seine größte Hoffnung klammert Passerini, der seit vielen Jahren in Münster zu Hause ist, an das letzte Facebook-Foto seines Freundes vom vergangenen Mittwoch: Das Bild soll Alessandro R. in dem Bereich des Hotels zeigen, aus dem einige der Überlebenden gerettet sein sollen.

Die vergangenen Tage sind für Passerini ein stetiges Auf und Ab: „Ich habe immer noch ein gutes Gefühl“, sagt der Mitarbeiter der Westfälischen Wilhelms-Universität am Samstagvormittag kämpferisch. Erst wenige Stunden zuvor hatten Katastrophenhelfer erneut Menschen aus der weißen Hölle retten können. Doch Passerinis Freund, der zwischenzeitlich für ein Jahr in Münster gelebt hat, ist offenbar nicht darunter.

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Alessandro R. war nach seinem Aufenthalt in Münster in die Hotellerie gewechselt, erzählt Passerini: Seit 2015 arbeitete der 32-Jährige in dem jetzt verschütteten Hotel. Der Uni-Dozent hatte den jetzt Verschollenen einst in die Domstadt gelotst. Beide kannten sich vom Studium in Perugia – „wir haben viel gemeinsam unternommen“, später in Münster teilten sie sich eine Wohnung. Seit Passerini die Nachricht vom folgenschweren Lawinenabgang erfahren hat, legt er das Handy kaum aus der Hand. Über Facebook hält er Kontakt zum Bruder von Alessandro R..


Massimiliano Passerini
Massimiliano Passerini Foto: privat

Das Lawinenunglück in Abruzzen

Berichten zufolge versuchten Retter am Wochenende noch Handy-Signale unter den Schneemassen zu orten, in der Hoffnung, Verschüttete finden zu können. Doch das Mobiltelefon seines Freundes sei nicht mehr zu erreichen, bedauert Passerini. Die gewaltige Lawine hatte am Mittwoch das Vier-Sterne-Hotel nach einer Erdbebenserie komplett verschüttet und Teile mitgerissen. Nach Aussage des Hoteldirektors waren bis zu 35 Menschen in dem Gebäude, heißt es in einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur. Es war vermutet worden, dass die Lawine von den Erdstößen ausgelöst wurde.

Die Gäste hatten offenbar nach den vier schweren Erdbeben abreisen wollen. In den Abruzzen hatte es seit Tagen geschneit, der Schnee lag zum Teil meterhoch, es kam kein Fahrzeug durch, um sie mitzunehmen. Die letzten Kilometer des Zufahrtsweges waren dicht. Die ersten Retter mussten sich in der Nacht zum Donnerstag auf Skiern zum Unglücksort vorkämpfen.

Auch der gute Freund von Massimiliano Passerini gehörte offenbar zu den im Hotel auf die Abreise Wartenden: „Die Hoffnung stirbt zuletzt, und wir beten und hoffen ihn bald wieder bei uns zu haben“, sagt sein in Münster bangender Landsmann jetzt.

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